Donnerstag, 7. Februar 2013

Rache ist Blutwurst

"Ich hasse ihn, ich hasse ihn wirklich, ich hasse ihn aus tiefsten Herzen." zischelte ich T. entgegen. Er lachte nur und sagte: "Und ich hab mich schon gefragt ob du ihn magst."

Kennt ihr diese schlimmen Situationen wenn ihr lachen müsst, obwohl ihr eigentlich sauer seid?
Das war eine von ihnen.
"Weißt du ich hab nachgerechnet.." verkündete L. und gab mir meine Arbeit zurück. "Du hast Glück gehabt. Ein halber Punkt weniger und es wäre 'ne 4 gewesen."
Wieder begann ich Racheschwüre zu murmeln und verfluchte mich gleichzeitig für meine Rechtschreibung.
"Wenn ich ihn das nächste mal sehe..." begann ich unheilvoll und überlegte mir gleichzeitig 13 Versionen möglichst bösartiger Vergeltung. "Ich werde ich ertccchhhen." sagte ich und armte dabei den Sprachfehler des Praktikanten nach. "Dann läuft er durch die Schule: "Cccheiße, Cccheiße, sie will mich erstecchen." Wir mussten beide lachen.
"Ich glaub das hat noch keiner geschafft." meinte T. stirnrunzelnd. "Was?" fragte ich. " 5 Punkte wegen cchleccchhhter Rechtschreibung abgezogen zu bekommen? Doch ich." - "Nein, das doch nicht." er schüttelte den Kopf. "Dich so wütend zu machen. Ehrlich. Ich wusste schon das du ihn nicht leiden kannst aber du ihn so verabscheust..."
Ich kramte mein bösestes Lächeln hervor und sagte nichts dazu. 
"Na immerhin hast du einen Punkt bekommen." witzelte L. weiter.
Nachdem ich dem Praktikanten fast 15 min lang, völlig ohne Hilfe erklärt hatte wie sich die Arbeitsverhältnisse einer kleinen Jeansproduktion in Südchina auf den Weltmarkt und die europäische Finanzkrise auswirkten, erbarmte er sich dazu mir einen Punkt für Mitarbeit zu geben. Er tat dies höchst wiederwillig und meinte anschließend das ich diesen Punkt in der nächsten Stunde noch bestätigen müssen.
"Ja, ganz toll. Jetzt hab ich nur noch 4 Minuspunkte, Juhhhuuu!"
Im gesammten Schuljahr hatte es noch keine Frage gegeben die ich nicht beantworten konnte. Dennoch konnte ich maximal auf eine 3 in Mitarbeit hoffen.
"Ist doch nicht so schlimm. Bei 15 Punkten bekommst du sogar 'ne 1." sagte T. als wäre es das einfachste der Welt beim Praktikanten 15 Punkte zu bekommen.
"Ich hab noch garkeine Punkte." stelle L. etwas verwundert fest. "Besser keine Punkte als - 4. Das ist eine 6- . Das musst du auch erstmal hinbekommen." sagte ich mit einem Anflug von Galgenhumor.
Meine Sozi-Note konnte nur noch eine einzige Person retten.
Und auf ihn warteten wir in genau diesem Moment.
"Tja... das kommt eben davon wenn man den Praktikanten mobbt." erstaunt stellte ich fest das mein Bezeichnung sich langsam durchzusetzten schien. "Ach komm. Als ob ihr euch nicht auch über ihn lustig machen würdet. Ihr wartete doch auch nur drauf das einer es ausspricht." 
In der vergangenen Stunde hatten meine liebe Freundin und unsere Klassensprecherin ein Spiel gespielt. Es heißt "Nicht lachen" und hat nur ein Ziel: den Praktikanten nicht auszulachen.
Sie hatten ganze 12 min durchgehalten.
Doch nach "cchzwicchenmencchlich-politicche Bechiehungen" 
[zwischenmenschlich-politische Beziehungen] konnten auch sie nicht mehr.

"Wisst ihr ich würde mich ja auch nicht darüber aufregen wenn es irgendein Fach wäre. Aber Sozialkunde ist der Schlüssel um zu verstehen was in der Welt vor sich geht. Nur wenn man das verstanden hat, kann man politische Ablenkungsmanöver von  den wirklich wichtigen Dingen unterscheiden. Nur wenn man da mitkommt hat man eine Chance Teil unserer einst so streitbaren Demokratie zu werden. 
Nur durch Sozialkunde kann man verstehen was die Welt im innersten zusammenhält!
Und dieser ... ... hält mich mit seiner Art zu lehren davon ab.
Und das ist das schlimmste was ein Lehrer tun kann."
"Und er hat dir deine Sozi-Note versaut." lachte T.
"Das auch..." gab ich grumelnd zu.
"Was hast du denn in der Arbeit?" erschallte eine Stimme hinter mir.
Ich drehte mich um und sah den Mann der Stunde, einen Helden im schwarzen Wintermantel.
Und seinem Grinsen nach zu urteilen hatte er jedes Wort gehört.
"Herr S." sagte ich und trat auf ihn zu "sie müssen sich das mal ansehen."

Navi: Glückwunsch, Sie haben ihr Ziel erreicht!
Ich: wo zum Teufel bin ich?

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